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Grünland in Europa wurde über die Jahrhunderte hinweg durch steigende Intensivierung der Landnutzung geprägt. Die agrarischen Veränderungen und Weiterentwicklungen formten und veränderten die Biodiversität und führten letztlich zu massivem Artenrückgang. Heutzutage ist davon auszugehen, dass die planetare Belastungsgrenze für die globale Biodiversität und insbesondere die Biodiversität von Grünland bereits erreicht wurde. Politische Entscheidungsträger und Umweltschützer suchen daher Maßnahmen, die den agrarökonomischen Zweck der Biomasseproduktion mit dem Schutz und Erhalt von Biodiversität sowie der Aufrechterhaltung von Ökosystemprozessen vereinen. In früheren Zeiten und insbesondere vor der Einführung mineralischer Stickstoffdünger war Landnutzung im Wesentlichen von den strukturellen Gegebenheiten der Landschaft abhängig. Die Entwicklung regionalspezifischer Bewirtschaftungsmaßnahmen förderte durch die Schaffung von Habitaten für speziell angepasste Arten und Artenzusammensetzungen eine hohe Diversität auf Landschaftsebene.
Staubewässerung war seit dem frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert eine europaweit verbreitete Bewirtschaftungsmaßnahme zur Ertragssteigerung. Diese Form der Bewässerung, bei der angrenzende Flüsse systematisch aufgestaut werden, um das Wasser in die Wiesen zu leiten und durch im Wasser geführte Sedimente einen Düngeeffekt hervorzurufen, war typisch für Wiesenbewirtschaftung im Flachland. Abhängig von den strukturellen Gegebenheiten wurden regionaltypische Abwandlungen der Bewässerungssysteme entwickelt und prägten somit die Flora und Fauna dieser sogenannten Wässerwiesen. Mineralische Dünger machten diese arbeitsintensive Bewirtschaftungsform weitestgehend unprofitabel, sodass diese heutzutage nur noch in wenigen Regionen reliktartig als Tradition erhalten blieb.
In den Queichwiesen nahe Landau in der Pfalz wird mit zwischenzeitlichen Unterbrechungen seit dem 15. Jahrhundert traditionelle Staubewässerung betrieben. Die vorliegende Studie nutzte die Queichwiesen als Modellregion, um sowohl Langzeit- als auch Kurzzeiteffekte der Staubewässerung auf die Biodiversität und Nährstoffverfügbarkeit zu
untersuchen. In einer umfassenden Vegetationskartierung konnten wir einen positiven Effekt der Bewässerung auf die Diversität sowohl auf lokaler als auch auf Landschaftsebeneverzeichnen. Eine höhere strukturelle Vielfalt durch die Förderung niedrigwüchsiger Arten legt zwar einen positiven Effekt auf die Diversität von Arthropoden (Orthodoptera, Carabidae, Spinnen) nahe, dieser konnte jedoch nicht gefunden werden. Nichtsdestotrotz zeigten sich die bewässerten Wiesen als ökologisch bedeutsames Habitat für Arthropodenarten feuchter Biotope. In einem kombinierten Labor- und Feldexperiment untersuchten wir die Veränderung der Nährstoffverfügbarkeit durch Bewässerung. Zwar ist heutzutage nicht mehr von einem
direkten Düngeeffekt durch im Wasser geführte Schlacken auszugehen, aber dennoch zeigte sich ein indirekter Düngeeffekt der Bewässerung durch eine kurzzeitig stark erhöhte Pflanzenverfügbarkeit von Makro- und Mikronährstoffen. Die Ausprägung dieses Nährstoffpeaks und somit die Ausnutzung des sekundären Düngeeffekts zeigte eine graduelle Abhängigkeit auf Artebene, die eine spezifische Vegetationsentwicklung durch die Bewässerung untermauern. Diese Resultate legen daher nahe, dass Staubewässerung von Wiesen eine extensive Bewirtschaftungsform ist, die Biodiversität auf verschiedenen Skalenebenen fördert und gleichzeitig den Einsatz von Düngern reduzieren kann. Die Abstimmung von Düngung und Bewässerung bedarf jedoch der lokalspezifischen Evaluation abiotischer und biotischer Gegebenheiten.
Die heutige Landwirtschaft ist in hohem Maße auf den Einsatz von Pestiziden angewiesen, um verschiedene Schädlinge zu bekämpfen und die Ernteerträge zu maximieren. Trotz detaillierter Vorschriften für den Einsatz von Pestiziden, die auf einem komplexen System der Risikobewertung beruhen, hat sich gezeigt, dass der weit verbreitete Einsatz dieser biologisch aktiven Substanzen eine Gefahr für die Umwelt darstellt. In Oberflächengewässern wurde beobachtet, dass die Pestizidbelastung die als noch umweltverträglich angesehenen Konzentrationen übersteigt und sich negativ auf die Ökologie der Fließgewässer auswirkt, was die Frage aufwirft, ob die derzeitige Risikobewertung einen nachhaltigen Einsatz von Pestiziden gewährleistet. Um diese Frage zu beantworten, hat das umfassende "Kleingewässer-Monitoring" (KgM) in den Jahren 2018 und 2019 das Vorkommen von Pestiziden und die damit verbundenen ökologischen Auswirkungen in 124 Fließgewässern in ganz Deutschland untersucht.
Basierend auf fünf wissenschaftlichen Publikationen, die aus dem KgM hervorgegangen sind, werden in dieser Arbeit die Pestizidbelastung in Fließgewässern, die ökologischen Auswirkungen und die regulatorischen Implikationen bewertet. Mehr als 1000 Wasserproben wurden auf über 100 Pestizid-Analyten untersucht, um das Vorkommen zu charakterisieren (Publikation 1). Die gemessenen Konzentrationen und Auswirkungen wurden zur Validierung der in der Risikobewertung vorhergesagten Umweltkonzentrationen und Wirkungschwellen verwendet (Veröffentlichung 2). Durch die gemeinsame Analyse von realen Pestizidanwendungsdaten und gemessenen Pestizidmischungen in Fließgewässern wurde die Missachtung von Pestizidmischungen in der Umwelt in der Risikobewertung beurteilt (Veröffentlichung 3). Das Risikopotenzial von Mischungen in Fließgewässern wurde zusätzlich mit Hilfe eines Verdachtsscreenings für 395 Chemikalien und einer Batterie von In-vitro-Bioassays untersucht (Publikation 4). Schließlich wurden die Ergebnisse des KgM verwendet, um die Eignung staatlicher Monitoringprogramme zur Identifizierung von Pestizidrisiken in Oberflächengewässern zu bewerten (Publikation 5).
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen das weit verbreitete Vorkommen von Pestiziden in den Nichtzielökosystemen der Fließgewässer. Die Wasserproben wiesen eine Vielzahl von Pestiziden auf, die in komplexen Mischungen vor allem in kurzzeitigen Spitzenwerten nach Niederschlagsereignissen auftraten (Veröffentlichungen 1 & 4). Die jeweiligen Höchstwerte der Pestizidkonzentration wurden mit dem Rückgang empfindlicher Wirbellosenarten in Verbindung gebracht und überstiegen in etwa 80 % der landwirtschaftlich geprägten Fließgewässer die gesetzlich zulässigen Konzentrationen, welche als Schwellenwerte zum Teil noch als unzureichend für den Schutz der Wirbellosengemeinschaft angesehen wurden (Publikation 2). Das gleichzeitige Vorkommen von Pestiziden in Fließgewässern führte zu einem Risiko, das in der auf eine einzelne Substanzen ausgerichteten Risikobewertung in realistischen Worst-Case-Szenarien um einen Faktor von etwa 3,2 unterschätzt wurde. Dies wird durch die hohe Häufigkeit, mit der Nichtzielorganismen den Pestiziden ausgesetzt sind, weiter verstärkt (Veröffentlichung 3). Wasserproben, die nach Regenfällen entnommen wurden, verursachten in den Bioassays deutliche Effekte, die nur zu einem geringen Teil durch die vielen detektierten Analyten erklärbar waren, was auf die Relevanz unbekannter chemischer oder biologischer Mischungskomponenten hinweist (Publikation 4). Schließlich wurde festgestellt, dass die behördliche Überwachung von Oberflächengewässern gemäß der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die Risiken von Pestiziden erheblich unterschätzt, da hier etwa drei Viertel der kritischen Pestizide und mehr als die Hälfte der gefährdeten Gewässer übersehen worden wären (Veröffentlichung 5).
Im Wesentlichen liefert diese Arbeit eine neue Ebene der Validierung der Risikobewertung von Pestiziden in aquatischen Ökosystemen, indem das Auftreten von Pestiziden und ihre Auswirkungen auf die Umwelt in einem bisher einzigartigen Maßstab bewertet werden. Die Ergebnisse zeigen generell, dass der derzeitige landwirtschaftliche Einsatz von Pestiziden zu erheblichen Auswirkungen auf die Fließgewässerökologie führt, die über das von der Risikobewertung tolerierte Maß hinausgehen. In dieser Arbeit wurden die Unterschätzung der Pestizidexposition, die potenzielle Unzulänglichkeit der gesetzlichen Schwellenwerte und die allgemeine Trägheit des Zulassungsverfahrens als Hauptursachen dafür ermittelt, dass entsprechende gesetzlich verankerte, ökologische Zielsetzungen momentan erwiesenermaßen nicht erreicht werden. Um einen nachhaltigen Einsatz von Pestiziden zu gewährleisten, schlägt die Arbeit wesentliche Änderungen der Risikobewertung vor. Monitoringprogramme wie das KgM, die über die derzeitigen staatlichen Überwachungsbemühungen hinausgehen, werden weiterhin erforderlich sein, um die Regulierungsbehörden für Pestizide ständig über die Gültigkeit ihrer prospektiven Risikobewertung zu informieren, die immer mit Unsicherheiten behaftet sein wird.