Dissertation
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Im Kontext des Geschäftsprozessmanagements werden häufig sogenannte
Business Rules (Geschäftsregeln) als zentrales Artefakt zur Modellierung von
unternehmensinterner Entscheidungslogik sowie der Steuerung von Unternehmensaktivitäten eingesetzt. Eine exemplarische Geschäftsregel aus dem Finanzsektor wäre z.B. ”Ein Kunde mit geistiger Behinderung ist nicht geschäftsfähig”.
Business Rules werden hierbei meist von mehreren Mitarbeitern und über einen
längeren Zeitraum erstellt und verwaltet. Durch dieses kollaborative Arbeiten
kann es jedoch leicht zu Modellierungsfehlern kommen. Ein großes Problem in
diesem Kontext sind Inkonsistenzen, d.h. sich widersprechende Regeln. In Bezug
auf die oben gezeigte Regel würde beispielsweise eine Inkonsistenz entstehen,
wenn ein (zweiter) Modellierer eine zusätzliche Regel ”Kunden mit geistiger
Behinderung sind voll geschäftsfähig” erstellt, da diese beiden Regeln nicht zeitgleich einhaltbar sind. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Umgang
mit solchen Inkonsistenzen in Business Rule-Repositorien. Hierbei werden im
Speziellen Methoden und Techniken zur Erkennung, Analyse und Behebung von
Inkonsistenzen in Regelbasen entwickelt.
In Kooperation mit dem TÜV SÜD und 985 Führungskräften aus deutschen Unternehmen wurde erprobt, wie Service-Qualität im Rahmen einer Onlinebefragung gemessen werden kann. Es wurde untersucht, welche Komponenten Service-Qualität umfasst, und ein Rahmenmodell entwickelt, das die Zusammenhänge zwischen Service-Qualität, Kundenzufriedenheit und dem Erfolg von Organisationen beschreibt. Die theoretische Konzeption und Operationalisierung des Konstrukts wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft und bestätigt. Das Rahmenmodell der Studie wurde als Strukturgleichungsmodell formuliert und konnte ebenfalls empirisch bestätigt werden. Die Ergebnisse und deren Auswirkung auf die Weiterentwicklung der bestehenden wissenschaftlichen Theorien zu den Konstrukten Service-Qualität, Kundenzufriedenheit und Erfolg von Organisationen wurden kritisch diskutiert.
Zur Steigerung der Ökonomie des Verfahrens wurde ein adaptiver Test zur Erfassung von Service-Qualität entwickelt. Im Rahmen der probabilistischen Testtheorie wurde geprüft, welches Item Response-Modell die empirischen Daten gut beschreiben kann. Als Grundlage für den adaptiven Test wurden die Item-Parameter modellkonform bestimmt. In einer Simulationsstudie wurde untersucht, ob die Ergebnisse der Onlinebefragung sich bedeutsam von den Ergebnissen adaptiver Tests mit unterschiedlichen Konfigurationen unterscheiden. Der Vergleich der Konfigurationen, die sich darin unterschieden, wie der Personenparameter geschätzt wurde und nach welchem Algorithmus das nächste Test-Item gewählt wurde, zeigte, welche Konfigurationen eingesetzt werden können, um eine möglichst geringe Testlänge zu erzielen, ohne dabei bedeutsame Einbußen bei der Reliabilität und Validität der Messung in Kauf zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse wurde der Fragebogen zur Erfassung von Service-Qualität als computerbasierter adaptiver Test umgesetzt. Diese neue Erfassungsmethode wurde in der Praxis erprobt, und abschließend wurden Nützlichkeit, Ökonomie und mögliche Nachteile, die mit dieser Art des Testens verknüpft sind, diskutiert.
Dieses Dokument, detailierte Analyseergebnisse, den adaptiven Test zur Erfassung von Service-Qualität und weitere Begleitmaterialien finden Sie unter: https://promotion.creaval.de
Eutrophierung infolge übermäßiger Nährstoffeinträge ist eine ernsthafte, weltweite Bedrohung für aquatische Ökosysteme und ist einer der wesentlichen anthropogenen Stressoren auf aquatische Organismen in europäischen Fließgewässern. In Bächen und kleinen bis mittelgroßen Flüssen führt Eutrophierung zu einem übermäßigen Wachstum von Periphyton und dadurch zu einem Verstopfen des hyporheischen Interstitials (biogene Kolmation). Infolgedessen kommt es zu einem Sauerstoffdefizit im Interstitial, wodurch die Habitatqualität für das Makrozoobenthos und für Eier und Larven kieslaichender Fische erheblich beeinträchtigt wird. Anders als in stehenden Gewässern fehlen effiziente Werkzeuge zur Eutrophierungssteuerung in Fließgewässern bisher. Eine Top-down Steuerung des Nahrungsnetzes durch gezielte Stützung der Fischbestände, vergleichbar mit der erfolgreich in Seen angewendeten Methode der Biomanipulation, ist ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion von Eutrophierungseffekten in Fließgewässern – insbesondere in Einzugsgebieten, in denen die Nährstoffeinträge nicht erheblich reduziert werden können. Ziel dieser Arbeit war es, das Potenzial einer Top-down Steuerung zur Reduktion von Eutrophierungseffekten durch zwei großwüchsige karpfenartige Fischarten – die herbivore Nase (Chondrostoma nasus) und den omnivoren Döbel (Squalius cephalus) – in mittelgroßen Flüssen zu erfassen. Dazu habe ich Freilandexperimente auf unterschiedlich großen räumlichen und zeitlichen Skalen in einem eutrophierten Mittelgebirgsfluss durchgeführt. Generell haben die Ergebnisse dieser Experimente die zentrale Rolle von Top-down Effekten durch Fische in Fließgewässernahrungsnetzen aufgezeigt. In einem vierjährigen großskaligen Experiment, dem zentralen Teil meiner Arbeit, konnte ich zeigen, dass die Stützung der Bestände von Nase und Döbel zu einer deutlichen Verbesserung der Sauerstoffversorgung und des Wasseraustauschs im oberen Bereich des Interstitials geführt hat, und das, obwohl die Top-down Effekte der Fische auf die Periphytonbiomasse vergleichsweise gering ausgeprägt waren. Diese Ergebnisse konnten durch ein vierwöchiges Mesokosmosexperiment gestützt werden, das zugleichwertvolle Hinweise auf die zugrundeliegenden Mechanismen für die Verringerung der Eutrophierungseffekte im Interstitial durch Nase und Döbel geliefert hat. Durch hohe Dichten beider Fischarten wurde das Sauerstoffdefizit im Interstitial verringert, was wahrscheinlich auf eine Reduktion der biogenen Kolmation des Interstitials durch benthisches Grazing der Nasen bzw. durch Bioturbation der Döbel zurückzuführen war. Insgesamt zeigen die Ergebnisse meiner Arbeit, dass eine Biomanipulation durch Stützung der Bestände herbivorer und omnivorer Fische potenziell geeignet ist, um Eutrophierungseffekte in mittelgroßen Flüssen zu reduzieren. Die Ergebnisse könnten somit der erste Schritt sein, um Biomanipulation als unterstützende Maßnahme zur Verringerung von Eutrophierungseffekten in Fließgewässern zu etablieren, und damit zum Erhalt der aquatischen Biodiversität beitragen.
Wir leben in einer Welt, in der sich Umweltkrisen immer weiter zuspitzen. Um diese Krisen zu entschärfen, braucht es einen sozial-ökologischen Wandel, der mit Verhaltensänderungen in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens einhergehen muss. Ausgehend von dieser gesellschaftlichen Aufgabe, befasst sich die vorliegende Dissertation mit der Frage, wie Verhaltensänderungen auf individueller Ebene angestoßen werden können. Mit dem weltweiten Problem von Plastik in der Umwelt wird ein aktuelles und sozialwissenschaftlich wenig erforschtes Themenfeld aufgegriffen. Es wird untersucht, welche psychologischen Faktoren einen Einfluss darauf haben, den eigenen Plastikkonsum zu reduzieren. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf Plastikverpackungen, die den größten Anteil der derzeitigen Plastikproduktion ausmachen. Eine Barriere, die das Aufnehmen von neuen Verhaltensweisen erschwert, stellen die eigenen Gewohnheiten dar. Phasen von Umbrüchen, wie der Umzug in eine neue Stadt, gelten als vielversprechend zur Veränderung von Gewohnheiten. Die Dissertation untersucht daher, ob solche Phasen des Wandels ein Gelegenheitsfenster öffnen können, um alte Gewohnheiten zu durchbrechen und Verhaltensänderungen anzustoßen. Vier Manuskripte nähern sich diesem Thema von einem zunächst breiten Fokus einer Literaturstudie bis hin zu fokussierten Interventionsstudien an. Das Literaturreview (Manuskript 1) fasst 187 Studien zum Umgang mit Plastik aus sozialwissenschaftlicher Perspektive zusammen. Darauf aufbauend, untersucht eine Online-Studie (N = 648) plastikfreie Verhaltensintentionen (Manuskript 2). In einem Strukturgleichungsmodell werden Prädiktoren für Verhaltensintentionen im privaten sowie politischen Bereich analysiert. Zwei Experimentalstudien im Pre-Post-Design schließen an das Verhalten im Privaten an (Manuskript 3 + 4). Es wird untersucht, ob eine Intervention, die während der Fastenzeit (N =140) oder während eines Aktionsmonats (N = 366) präsentiert wird, ein Gelegenheitsfenster zur Konsumreduktion von Plastikverpackungen darstellen kann. Die Ergebnisse der empirischen Arbeiten weisen Moral- und Kontrollüberzeugungen als stärkste Prädiktoren für Verhaltensreduktionen aus. Der Zeitpunkt einer Intervention beeinflusst zudem die Wahrscheinlichkeit ein neues Verhalten auszuprobieren. Die Studien zeigen erste Belege, dass Gelegenheitsfenster umweltfreundliche Verhaltensänderungen im Kontext des Plastikkonsums erleichtern können. Theoretische und praktische Implikationen, wie Gelegenheitsfenstern zu einer sozial-ökologischen Transformation beigetragen können, werden diskutiert.
Die Umsetzung einer flexiblen Integration von Informationen aus verteilten und komplexen Informationssystemen stellt Unternehmen aktuell vor große Herausforderungen. Das im Rahmen dieser Dissertation entwickelte Ontologie-basierte Informationsintegrationskonzept SoNBO (Social Network of Business Objects) adressiert diese Herausforderungen. Bei einem Ontologie-basierten Konzept werden die Daten in den zu integrierenden Quellsystemen (z. B. betriebliche Anwendungssysteme) mithilfe eines Schemas (= Ontologie) beschrieben. Die Ontologie in Verbindung mit den Daten aus den Quellsystemen ergibt dann einen (virtualisierten oder materialisierten) Knowledge Graph, welcher für den Informationszugriff verwendet wird. Durch den Einsatz eines Schemas ist dieses flexibel auf die sich ändernden Bedürfnisse des Unternehmens bezüglich einer Informationsintegration anpassbar. SoNBO unterscheidet sich von existierenden Konzepten aus dem Semantic Web (OBDA = Ontology-based Data Access, EKG = Enterprise Knowledge Graph) sowohl im Aufbau der unternehmensspezifischen Ontologie (= Social Network of Concepts) als auch im Aufbau des nutzerspezifischen Knowledge Graphen (= Social Network of Business Objects) unter der Verwendung von sozialen Prinzipien (bekannt aus Enterprise Social Software). Aufbauend auf diesem SoNBO-Konzept wird das im Rahmen dieser Dissertation entwickelte SoNBO-Framework (nach Design Science Research) zur Einführung von SoNBO in einem beliebigen Unternehmen und die aus der Evaluation (im Unternehmen KOSMOS Verlag) gewonnenen Erkenntnisse vorgestellt. Die Ergebnisse (SoNBO-Konzept und SoNBO-Framework) basieren auf der Synthese der Erkenntnisse zu Ontologie-basierter Informationsintegration aus dem Status quo in Praxis und Wissenschaft: Für den Status quo in der Praxis wird mithilfe einer Tiefenfallstudie (Ingenieurbüro Vössing) die grundlegende Idee zu SoNBO in Form einer vom Fallstudienunternehmen entwickelten und dort seit Jahren eingesetzten Individualsoftware analysiert. Für den Status quo in der Wissenschaft wird das Ergebnis einer im Rahmen der Dissertation durchgeführten strukturierten Literaturanalyse zu Ontologie-basierten Informationsintegrationsansätzen präsentiert. Diese Dissertation liefert damit einen Beitrag sowohl für die Wissenschaft (Erkenntnisgewinn im Bereich der Ontologie-basierten Informationsintegrationsansätze für die Wirtschaftsinformatik u. a. durch die Entwicklung eines evaluierten Artefaktes) als auch für die Praxis (Schaffung eines evaluierten Artefaktes).
Previous research concerned with early science education revealed that guided play can support young children’s knowledge acquisition. However, the questions whether guided play maintains other important prerequisites such as children’s science self-concept and how guided play should be implemented remain unanswered. The present dissertation encompasses three research articles that investigated 5- to 6-year-old children’s science knowledge, science theories, and science self-concept in the stability domain and their relation to interindividual prerequisites. Moreover, the articles examined whether children’s science knowledge, science theories, and science self-concept can be supported by different play forms, i.e., guided play with material and verbal scaffolds, guided play with material scaffolds, and free play. The general introduction of the present dissertation first highlights children’s cognitive development, their science self-concept, and interindividual prerequisites, i.e., fluid and crystallised intelligence, mental rotation ability, and interest in block play. These prerequisites are applied to possible ways of supporting children during play. The first article focused on the measurement of 5-to-6-year-old children’s stability knowledge and its relation to interindividual prerequisites. Results suggested that children’s stability knowledge could be measured reliably and validly, and was related to their fluid and crystallised intelligence. The second article was concerned with the development of children’s intuitive stability theories over three points of measurement and the effects of guided and free play, children’s prior theories as well as their intelligence on these intuitive theories. Results implied that guided play with material and verbal scaffolds supported children’s stability theories more than the other two play forms, i.e., guided play with material scaffolds and free play. Moreover, consistency of children’s prior theories, their fluid and crystallised intelligence were related to children’s theory adaptation after the intervention. The third article focused on the effect of the playful interventions on children’s stability knowledge and science self-concept over three points of measurement. Furthermore, the reciprocal effects between knowledge acquisition and science self-concept were investigated. Results implied that guided play supported knowledge acquisition and maintained children’s science self-concept. Free play did not support children’s stability knowledge and decreased children’s science self-concept. No evidence for reciprocal effects between children’s stability knowledge and their science self-concept was found. Last, in a general discussion, the findings of the three articles are combined and reflected amidst children’s cognitive development. Summarising, the present dissertation shows that children’s science knowledge, science theories, and science self-concept can be supported through guided play that considers children’s cognitive development.
Die bisherige Forschung zur Diagnosekompetenz hat trotz langjähriger Forschungstraditionen für die Praxis kaum relevante Befunde erbracht. Dies wurde in der vorliegenden Arbeit als Anlass für den Vorschlag genommen, diagnostische Kompetenz als reine Urteilsgenauigkeit, gemäß der Komponentenanalyse nach Cronbach (1955), zu erweitern. Mit der Einführung der Beobachtungskompetenz als einer weiteren Facette diagnostischer Kompetenz knüpft die vorliegende Studie zudem an der Forschung zu formativem Assessment an.
Die zentralen Fragen der Arbeit beziehen sich darauf, wie die beiden Facetten der diagnostischen Kompetenz Urteilsgenauigkeit und Beobachtungskompetenz von pädagogischen Fachkräften im Elementarbereich ausgeprägt sind, ob diese Facetten zusammenhängen und wie sie durch bereichsspezifische Fortbildungen und explizit durch verschiedene Fortbildungsansätze (Lehrgangs- vs. Lernwegsorientierung) verändert werden können. Untersucht wurden insgesamt 103 Erzieherinnen aus 21 Einrichtungen mit eigens für die Arbeit entwickelten Instrumenten (Fragebögen, Filmvignetten).
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage, wie die bereichsspezifische diagnostische Kompetenz von Erzieherinnen hinsichtlich der Facetten Urteilsgenauigkeit und Beobachtungskompetenz ausgeprägt ist, zeigt sich, dass Erzieherinnen das Niveau ihrer Gruppe im Vergleich der Urteilsgenauigkeits-Komponenten am besten einschätzen können (Niveaukomponente), mit Tendenz zur Überschätzung. Auch die Wahrnehmung von Unterschieden zwischen den Kindern ihrer Gruppe gelingt ihnen gut (Personenkomponente), dabei neigen sie eher zu einer Überschätzung der Heterogenität. Wesentlich schwerer fällt es ihnen, spezifische Aufgabenschwierigkeiten im mathematischen Bereich korrekt einzuschätzen (Merkmalskomponente) und Unterschiede zwischen den Kindern im Hinblick auf einzelne Aufgaben (Wechselwirkungskomponente) zu beurteilen. Die Erzieherinnen sind jedoch sehr gut in der Lage, die Kinder entsprechend ihrer Leistungen in eine Rangreihenfolge zu bringen, wie es die Korrelationskomponente der Personenkomponente zeigt. Die Beobachtungskompetenz von Erzieherinnen zeigt sich in der Anzahl erkannter Fähigkeiten von Kindern während verschiedener Tätigkeiten mit mathematischem Bezug. Dabei wurde der Schwierigkeitsgrad der Beobachtung mittels Expertinneneinschätzung berücksichtigt. Die Erzieherinnen erkennen durchschnittlich die Hälfte der mathematischen Fähigkeiten von Kindern in verschiedenen komplexen Alltagssituationen bei mathematischen Tätigkeiten. Die zweite Forschungsfrage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Urteilsgenauigkeit und der Beobachtungskompetenz gibt, kann klar beantwortet werden. Erwartungswidrig zeigt die vorliegende Untersuchung, dass die Facetten Urteilsgenauigkeit und Beobachtungskompetenz voneinander unabhängig sind. Damit konnte die Annahme, dass auf der einen Seite eine genaue summative Beurteilung auf einer Vielzahl kompetenter Einzelbeobachtungen beruht, auf der anderen Seite aber häufige gezielte Einzelbeobachtungen in ihrer Summe zu einem genaueren Gesamturteil führen, nicht bestätigt werden. Die dritte Forschungsfrage, ob eine bereichsspezifische Fortbildung von Erzieherinnen zur Verbesserung ihrer Urteilsgenauigkeit führt, muss verneint werden. Dagegen beeinflusst der Faktor Zeit (neun Monate zwischen Prä- und Posttest) die Fähigkeit der Erzieherinnen, Unterschiede zwischen den Kindern signifikant besser wahrzunehmen (Personenkomponente) und spezifische Aufgabenschwierigkeiten signifikant besser einzuschätzen (Merkmalskomponente). Damit verbessert sich auch die globale Urteilsgenauigkeit über die Zeit signifikant. Auf die Einschätzung des Leistungsniveaus der Gruppe (Niveaukomponente) sowie von Unterschieden zwischen den Kindern für einzelne Items (Wechselwirkungskomponente) hat jedoch auch der Faktor Zeit keinen signifikanten Einfluss.
Die vierte Forschungsfrage, ob die Unterschiede in der Veränderung der Urteilsgenauigkeit von Erzieherinnen davon abhängig sind, nach welchem Ansatz sie Kinder bereichsspezifisch fördern, lässt sich zusammenfassend verneinen. Die Art und Weise der bereichsspezifischen Förderung spielt keine Rolle für die Variabilität der Urteilsgenauigkeit von Erzieherinnen. Auch die Unterschiedlichkeit in den einzelnen Urteilsgenauigkeitskomponenten lässt sich nicht auf die Art der Fortbildung zurückführen.
Die fünfte Forschungsfrage, ob sich die Beobachtungskompetenz von Erzieherinnen durch eine bereichsspezifische Fortbildung beeinflussen lässt, kann aufgrund einer signifikanten Zunahme der Beobachtungskompetenz nach nur zwei Fortbildungstagen bejaht werden. Damit wird die These gestützt, dass eine Fortbildung zur bereichsspezifischen Förderung für eine gezielte und damit fokussiertere Wahrnehmung früher bereichsspezifischer Kompetenzen bedeutsam ist, selbst wenn sie nicht explizit auf diagnostische Kompetenz, sondern allgemein auf Förderung ausgerichtet ist
Die sechste Forschungsfrage zielt auf Veränderungen der Beobachtungskompetenz von Erzieherinnen in Abhängigkeit von Fortbildungen in verschiedenen bereichsspezifischen Förderansätzen ab. Für eine Zunahme der Beobachtungskompetenz, so zeigt sich, spielt der bereichsspezifische Ansatz, welcher der Fortbildung zugrunde gelegt ist, keine Rolle.
Die vorliegende Studie ist die erste Arbeit, die sowohl Beobachtungskompetenz (Forschung zu formativem Assessment) als auch Urteilsgenauigkeit (Accuracy-Forschung) anhand derselben Stichprobe untersucht. Trotz des im Ergebnis nicht nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen Urteilsgenauigkeit und Beobachtungskompetenz stellt die Studie für die zukünftige Forschung bedeutsame Hinweise für die weitere Untersuchung der Facetten diagnostischer Kompetenz bereit.
Im Hinblick auf den frühpädagogischen Kontext zeigt die vorliegende Arbeit zum einen, dass ein ökologisch valides Treatment (Fortbildung) in einem Umfang von zwei Tagen implizit zu einer Verbesserung diagnostischer Kompetenzen führen kann. Zum anderen wird hier erstmalig im deutschsprachigen Raum die Messung der Urteilsgenauigkeit unter vollumfänglicher Erfüllung eines auf Hoge und Coladarci (1989) beruhenden Anforderungsprofils durchgeführt. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal dieser Studie ist die erstmals mit einer Mindestanzahl von vier Einschätzungen pro Erzieherin unter Berücksichtigung der Kontaktzeiten zwischen Erzieherinnen und Bezugskindern erfolgte Erhebung der Urteilsgenauigkeit von Erzieherinnen.
In vielen Teilen der Welt, vor allem in Subsahara-Afrika, ist Wasserknappheit bereits ein allgegenwärtiges Problem. Doch die Trockenjahre 2018 und 2019 zeigten, dass auch in Deutschland die Wasserressourcen endlich sind. Projektionen und Vorhersagen für die nächsten Jahrzehnte weisen zudem darauf hin, dass durch den steigenden Einfluss des Klimawandels die Erneuerungsraten der bestehenden Wasserressourcen zurückgehen, die Entnahmemengen aber aufgrund von Populationswachstum steigen werden. Es ist demnach an der Zeit, alternative und nachhaltige Methoden zu finden, die derzeit vorhandenen Wasserressourcen optimal zu nutzen. Daher rückte in den vergangenen Jahren die Wiederverwendung von geklärtem Abwasser zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen und/oder der Grundwasseranreicherung in den Fokus der Wissenschaft. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass in geklärtem Abwasser sogenannte Spurenstoffe zu finden sind, d.h. Substanzen, die durch anthropogenen Einfluss in den Wasserkreislauf gelangen. Dabei handelt es sich z.B. um Pharmazeutika, Pestizide und Industriechemikalien, aber auch um Metabolite, die im menschlichen Körper gebildet werden und in das Abwasser gelangen. Durch die Wasseraufbereitungsschritte in den Kläranlagen als auch durch biologische, chemische und physikalische Prozesse in der Bodenpassage bei der Wiederverwendung des geklärten Abwassers werden diese Spurenstoffe zu anderen Substanzen, den Transformationsprodukten (TPs), umgewandelt, die das Spektrum der Spurenstffe zusätzlich erweitern.
Trotz der Tatsache, dass das Vorhandensein von Human-Metaboliten und TPs in ungeklärtem und geklärten Abwasser seit langem bekannt ist, werden sie in gängigen Routine-Messmethoden nur selten berücksichtigt. Daher war es ein erstes Ziel dieser Dissertation eine Analyse-Methode zu erstellen, basierend auf Flüssigchromatographie-Tandem Massenspektrometrie (LC-MS/MS), die ein möglichst breites Spektrum an Spurenstoffen inklusive bekannter Metabolite und TPs enthält. Die entwickelte Multi-Analyt-Methode umfasst insgesamt 80 Ausgangssubstanzen und 74 Metabolite und TPs verschiedener Substanzklassen und ist für die Anwendung in verschiedenen Wassermatrices (Zu- und Ablauf von Kläranlagen, Oberflächenwasser und Grundwasser aus einer Uferfiltrationsanlage) validiert. Dabei wurde auch der Einfluss der MS-Parameter auf die Qualität der Analysedaten untersucht. Trotz der hohen Anzahl an Substanzen konnte eine ausreichende Anzahl an Datenpunkten je Peak generiert werden, wodurch eine hohe Empfindlichkeit und Präzision sowie eine gute Wiederfindung für alle Matrices erreicht wurden. Die Auswahl der Analyten erwies sich als relevant für die Untersuchung von Umweltmatrices, da 95% der Substanzliste in mindestens einer Probe nachgewiesen wurden. Mehrere Spurenstoffe, die bisher nicht im Fokus der gegenwärtigen Multi-Analyt-Methoden standen, wurden bei erhöhten Konzentrationen im Wasserkreislauf quantifiziert (z.B. Oxypurinol). Die Relevanz der Untersuchung von Metaboliten und TPs zeigte sich durch den Nachweis von z.B. Clopidogrel-Säure und Valsartansäure mit deutlich höheren Konzentrationen als ihre Ausgangssubstanzen. Valsartansäure konnte zudem sogar im Uferfiltrat detektiert werden.
Durch die Einbindung der Metabolite, die durch biologische Prozesse im Körper entstehen, und den biologischen und chemischen TPs, eignet sich die Multi-Analyt-Methode auch zur Aufklärung von Abbaumechanismen in natürlichen Behandlungssystemen zur Wasserwiederverwendung, wozu es in der Literatur bisher nur wenige Angaben gibt. Im Rahmen der Dissertation wurden Proben aus zwei Systemen analysiert, einem im Pilotmaßstab entwickelten oberirdischen sequenziellen Biofiltrationssystem (SBF) und einem großmaßstäblichen Bodenpassagen-System (SAT). Im SBF-System konnten hauptsächlich biologische Abbaumechanismen beobachtet werden, was durch die Entstehung biologischer TPs deutlich gezeigt wurde. Die Effizienz des Abbaus wurde dabei durch eine Zwischenbelüftung erhöht, die oxische Bedingungen hervorrief. Im SAT-System kam es zu einer Kombination von Bioabbau- und Sorptionsprozessen. Es wurde beobachtet, dass bei einigen biologisch abbaubaren Spurenstoffen ein geringerer Abbau erreicht wurde als im SBF-System, was auf unterschiedliche Redox-Bedingungen und eine andere mikrobielle Gemeinschaft zurückzuführen war. Als Vorteil des SAT-Systems gegenüber des SBF erwies sich die Sorptionsfähigkeit des natürlichen Bodens. Vor allem positiv geladene Spurenstoffe zeigten eine Entfernung aufgrund von ionischen Wechselwirkungen mit negativ geladenen Bodenpartikeln. Auf der Grundlage ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften bei Umgebungs-pH, ihres Entfernungsgrades in den untersuchten Systemen und ihres Vorkommens im einfließenden Wasser konnte eine Auswahl von prozessbasierten Indikatorsubstanzen vorgeschlagen werden.
In den vorherigen Arbeiten wurde in Kläranlagenabläufen häufig ein Spurenstoff in erhöhten Konzentrationen nachgewiesen, der bisher wenig im Fokus der Umweltforschung stand: das Antidiabetikum Sitagliptin (STG). STG zeigt nur eine geringe Abbaubarkeit in biologischen Systemen. Daher wurde untersucht, inwieweit eine chemische Aufbereitung mittels Ozonung einen Abbau gewährleisten kann. STG weist in seiner Struktur ein aliphatisches primäres Amin als entscheidende Angriffsstelle für das Ozonmolekül auf. In der Literatur finden sich kaum Informationen zum Verhalten dieser funktionellen Gruppe während der Ozonung. Die in dieser Dissertation erzielten Ergebnisse können daher exemplarisch für andere Spurenstoffe mit Amingruppen herangezogen werden. Es zeigte sich eine pH-abhängige Abbaukinetik aufgrund der Protonierung des primären Amins bei niedrigen pH-Werten. Bei für die Umwelt und Kläranlagen typischen pH-Werten im Bereich 6 – 8 wies STG Abbaukinetiken mittels Ozon im Bereich 103 M-1s-1 auf, mit einem vollständigen Abbau kann allerdings erst bei deutlich höheren pH-Werten > 9 gerechnet werden. Die Transformation des primären Amins zu einer Nitro-Gruppe wurde als Hauptabbaumechanismus in der Ozonung identifiziert. Ebenfalls wurde die Entstehung weiterer TPs wie z.B. eines Diketons und Trifluoressigsäure (TFA) beobachtet. Untersuchungen an einer Pilotanlage, bei der die Ozonung unter realen Bedingungen mit dem Ablauf einer konventionellen Kläranlage durchgeführt wurde, bestätigte die Ergebnisse der Laboruntersuchungen: STG wurde auch bei einer hohen Ozondosis nicht vollständig entfernt und die Nitro-Verbindung erwies sich als Haupt-TP, das weder bei weiterer Ozonung noch in einer nachgeschalteten biologischen Behandlung abgebaut wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass unter realen Bedingungen sowohl eine Restkonzentration an STG als auch das Haupt-TP sowie weitere TPs wie TFA im Ablauf einer Kläranlage bestehend aus konventioneller biologischer Aufreinigung, Ozonung und nachgeschalteter biologischer Aufreinigung auffindbar sind.
Thousands of chemicals from daily use are being discharged from civilization into the water cycle via different pathways. Ingredients of personal care products, detergents, pharmaceuticals, pesticides, and industrial chemicals thus find their way into the aquatic ecosystems and may cause adverse impacts on the ecology. Pharmaceuticals for instance, represent a central group of anthropogenic chemicals, because of their designed potency to interfere with physiological functions in organisms. Ecotoxicological effects from pharmaceutical burden have been verified in the past. Therapeutic groups with pronounced endocrine disrupting potentials such as steroid hormones gain increasing focus in environmental research as it was reported that they cause endocrine disruption in aquatic organisms even when exposed to environmentally relevant concentrations. This thesis considers the comprehensive investigation of the occurrence of corticosteroids and progestogens in wastewater treatment plant (WWTP) effluents and surface waters as well as the elucidation of the fate and biodegradability of these steroid families during activated sludge treatment. For the first goal of the thesis, a robust and highly sensitive analytical method based on liquid chromatography-tandem mass spectrometry (LC-MS/MS) was developed in order to simultaneously determine the occurrence of around 60 mineralocorticoids, glucocorticoids and progestogens in the aquatic environment. A special focus was set to the compound selection due to the diversity of marketed synthetic steroids. Some analytical challenges have been approved by individual approaches regarding sensitivity enhancement and compound stabilities. These results may be important for further research in environmental analysis of steroid hormones. Reliable and low quantification limits are the perquisite for the determination of corticosteroids and progestogens at relevant concentrations due to low consumption volumes and simultaneously low effect-based trigger values. Achieved quantification limits for all target analytes ranged between 0.02 ng/L and 0.5 ng/L in surface water and 0.05 ng/L to 5 ng/L in WWTP effluents. This sensitivity enabled the detection of three mineralocorticoids, 23 glucocorticoids and 10 progestogens within the sampling campaign around Germany. Many of them were detected for the first time in the environment, particularly in Germany and the EU. To the best of our knowledge, this in-depth steroid screening provided a good overview of single steroid burden and allowed for the identification of predominantly steroids of each steroid
type analyzed for the first time. The frequent detection of highly potent synthetic steroids (e.g. triamcinolone acetonide, clobetasol propionate, betamethasone valerate, dienogest, cyproterone acetate) highlighted insufficient removal during conventional Summary wastewater treatment and indicated the need for regulation to control their emission since the steroid concentrations were found to be above the reported effect-based trigger values for biota. Overall, the study revealed reliable environmental data of poorly or even not analyzed steroids. The results complement the existing knowledge in this field but also providednew information which can beused particularly for compound prioritization in ecotoxicological research and environmental analysis. Based on the data obtained from the monitoring campaign, incubation experiments were conducted to enable the comparison of the biodegradability and transformation processes in activated sludge treatment for structure-related steroids under aerobic and standardized experimental conditions. The compounds were accurately selected to cover manifold structural moieties of commonly used glucocorticoids, including non-halogenated and halogenated steroids, their mono- and diesters, and several acetonide-type steroids. This approach allowed for a structure-based interpretation of the results. The obtained biodegradation rate constants suggested large variations in the biodegradability (half-lifes ranged from < 0.5 h to > 14 d). An increasing stability was identified in the order from non-halogenated steroids (e.g. hydrocortisone), over 9α-halogenated steroids (e.g. betamethasone), to C17-monoesters (e.g. betamethasone 17-valerate, clobetasol propionate), and finally to acetonides (e.g. triamcinolone acetonide), thus suggesting a strong relationship of the biodegradability with the glucocorticoid structure. Some explanations for this behavior have been received by identifying the transformation products (TPs) and elucidating individual transformation pathways. The results revealed the identification of the likelihood of transformation reactions depending on the chemical steroid structure for the first time. Among the identified TPs, the carboxylates (e.g. TPs of fluticasone propionate, triamcinolone acetonide) have been shown persistency in the subsequent incubation experiments. The newly identified TPs furthermore were frequently detected in the effluents of full-scale wastewater treatment plants. These findings emphasized i) the transferability of the lab-scale degradation experiments to real world and that ii) insufficient removals may cause adverse effects in the aquatic environment due to the ability of the precursor steroids and TPs to interact with the endocrine system in biota. For the last goal, the conceptual study for glucocorticoids was applied to progestogens.
Here, two sub-types of the steroid family frequently used for hormonal contraception were selected (17α-hydroxyprogesterone and 19-norstestosterone type). The progestogens showed a fast and complete degradation within six hours, and thus empathizes pronounced biodegradability. However, cyproterone acetate and dienogest Summary have been found to be more recalcitrant in activated sludge treatment. This was consistent with their ubiquitously occurrence during the previous monitoring campaign. The elucidation of TPs again revealed some crucial information regarding the observed behavior and highlighted furthermore the formation of hazardous TPs. It was shown that 19-nortestosterone type steroids are able to undergo aromatization at ring A in contact with activated sludge, leading to the formation of estrogen-like TPs with a phenolic moiety at ring A. In the case of norethisterone the formation of 17α-ethinylestradiol was confirmed, which is a well-known potent synthetic estrogen with elevated ecotoxicological potency. Thus, the results indicated for the very first time an unknown source of estrogenic compounds, particularly for 17α-ethinylestradiol. In conclusion, some steroids were found to be very stable in activated sludge treatment, others degrade well, and others which do degrade but predominantly to active TPs depending on their chemical structure. Fluorinated acetal steroids such as triamcinolone acetonide and fluocinolone acetonide are poorly biodegradable, which is reflected in high concentrations detected ubiquitously in WWTP effluents. Endogenous steroids and their most related synthetic once such as hydrocortisone, prednisolone or 17α-hydroxyprogesterone are readily biodegradable. Regardless their high influent concentrations, they are almost completely removed in conventional WWTPs. Steroids between this range have been found to form elevated quantities of TPs which are partially still active, which particularly the case for betamethasone, fluticasone propionate, cyproterone acetate or dienogest. The thesis illustrates the need for an extensive evaluation of the environmental risks and carried out that corticosteroids and progestogens merit more attention in environmental regulatory and research than it is currently the case
Modellbildung zum Abbindeverhalten von PCE-verflüssigten und CA-Zement-gebundenen Feuerbetonen
(2021)
Feuerbetone werden als Auskleidung in industriellen Hochtemperaturaggregaten, wie beispielsweise in der Eisen- und Stahlindustrie, eingesetzt. Nach dem Mischen und dem Gießen eines Feuerbetons in Formen bzw. Schalungen, muss dieser abbinden und eine ausreichende Festigkeit ausbilden. Die Kinetik der Abbindevorgänge und somit auch das Erhärtungsverhalten variiert dabei stark in Abhängigkeit der Zusammensetzung, vor allem hinsichtlich des Bindemittels und der Additive, des Feuerbetons. In der Praxis der Herstellung von Feuerbetonen kommt es häufig zu Beschädigungen der hergestellten Bauteile oder Auskleidungen durch das Fließen noch nicht ausreichend abgebundener Feuerbetone bzw. die Beschädigung von Ecken und Kanten während des Ausschalens oder Bauteilen reißen durch mechanische Belastung beim Umsetzen oder beim Transport. Diese Beschädigungen basieren auf Fehleinschätzungen zum Abbindefortschritt und der korrespondierenden Festigkeitsausprägung der Feuerbetone. Diese wiederum sind auf Lücken im Stand der Technik zurück zu führen.
Für PCE-verflüssigte und CA-Zement-gebundene Korund-Feuerbetonen mit einer Al₂O₃- und Al₂O₃-SiO₂-Matrix, werden die Defizite des Stands der Technik für diese Feuerbetonklasse identifiziert: Diese liegen im Bereich der Verflüssigungswirkung und des ersten Ansteifens der Feuerbetone, der Hydratation des CA-Zements in den Feuerbetonen und der Festigkeitsausprägung der Feuerbetone. Hieraus leitet sich ein entsprechender Forschungsbedarf ab.
Am Beispiel von zwei PCE-verflüssigten (PCE mit kurzer Hauptkette und langen Seitenketten sowie PCE mit langer Hauptkette und kurzen Seitenketten) und CA-Zement-gebundenen (70 % Al₂O₃) Feuerbetonen mit einer reaktivtonerde-basierten und einer reaktivtonerde-mikrosilika-basierten Matrix werden abbindekinetische Untersuchungen durchgeführt. Anhand verschiedener abbindekinetischer Messmethoden, wie Schallgeschwindigkeit oder elektrischer Leitfähigkeit, und einigen ergänzenden Messung, wie beispielsweise das ζ-Potential, wird der Abbindeverlauf der Feuerbetone untersucht und die Defizite aus dem Stand der Technik aufgeklärt.
Im Detail wurde der Stand der Technik um folgende Erkenntnisse ergänzt:
• Verflüssigung von Feuerbetonen mit PCE-Molekülen: Es wurde festgestellt, dass die Verflüssigungswirkung und das erste Ansteifen maßgeblich durch die Struktur der Verflüssigermoleküle hervorgerufen werden.
PCE-Moleküle mit langen Seitenketten verflüssigen eher sterisch. Durch die Vermittlung von Ca²⁺ aus dem CA-Zement wird die Adsorption der PCE-Moleküle verstärkt. Freie PCE-Moleküle können auf CAH-Phasen (Hydratationsprodukte) adsorbieren und somit die Fließfähigkeit des Feuerbetons für eine gewisse Zeit aufrechterhalten.
PCE-Moleküle mit kurzen Seitenketten verflüssigen elektrosterisch. Bei Lösung von Ca²⁺ aus dem CA-Zement kommt es zu einer Ca-PCE Gel-Bildung und einer korrespondierenden Koagulation der Feuerbetonmatrix und der Feuerbeton steift zeitnah nach dem Mischen an.
• Hydratation von CA-Zement: Die Hydratation von CA-Zement in den Feuerbetonen wird wesentlich durch die Länge der Seitenketten der PCE-Moleküle bzw. der Anwesenheit von Zitronensäure beeinflusst.
In Feuerbetonen die mit PCE-Molekülen mit langen Seitenketten verflüssigt wurden, kann der CA-Zement weitestgehend frei hydratisieren. Der CAH-Phasenanteil steigt in zwei Abschnitten, getrennt von einer dormanten Phase. Die dormante Phase der CA Zementhydratation wurde auf eine Lösungshemmung der Al-O-H-Passivierungsschicht auf dem CA-Zement bei mäßigem pH-Wert (pH = 12,3) zurückgeführt.
In Feuerbetonen die mit PCE-Molekülen mit kurze Seitenketten und Zitronensäure verflüssigt werden, wird die Hydratationsreaktion durch eine Ca-Citrat-PCE-Al(OH)₄-Gelbildung stark gehemmt. Es besteht die Vermutung, dass die Bindung von Ca²⁺ in dem Gel zum einen eine sehr ausgeprägte dormante Phase (pH < 12,3), mit einer schlechten Löslichkeit der Passivierungsschicht, bewirkt und zum anderen auch die Fällung von CAH-Phasen unterdrückt.
• Festigkeitsausprägung von CA-Zement-gebundenen Feuerbetonen:
Eine Koagulation bewirkt die erste Festigkeitssteigerung der Feuerbetone auf σB < 1 MPa. Im Anschluss findet die Hauptfestigkeitssteigerung auf Grund von Austrocknung durch Hydratation und Verdunstung statt. Der weitere Teil der Festigkeitssteigerung wird durch die Reduzierung der Porosität durch expansive CA-Zementhydratation und die hohe spezifische Oberfläche sowie deren weitere Erhöhung durch die CA-Zementhydratation bewirkt.
Aus den einzelnen abbindekinetischen Effekten können, zusammen mit dem Stand der Technik und den neuen Erkenntnissen, mikrostrukturelle Abbindemodelle und Modelle zur Festigkeitsentwicklung der Feuerbetone abgeleitet werden. In Folge kann für die zwei Feuerbetone zu jedem Zeitpunkt des Abbindens eine Aussage zum Abbindefortschritt und zur Festigkeitsausprägung getätigt werden. Einige der Abbindemechanismen und festigkeitsbildenden Mechanismen können auf andere Feuerbetonzusammensetzungen übertragen werden.