Dissertation
Die Struktur der organischen Bodensubstanz (OBS) ist ein seit Jahrzehnten unter Wissenschaftlern viel diskutiertes Thema. Die wichtigsten Modelle sind unter anderem das Polymer Modell und das Supramolekulare Modell. Während ersteres die OBS als Makromoleküle betrachtet, die amorphe und kristalline Bereiche enthält, erklärt letzteres die OBS als physikochemische Verbindung in der durch schwache hydrophobe Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen individuelle Moleküle primärer Struktur in einer Sekundärstruktur zusammengehalten werden. Die schwachen Wechselwirkungen innerhalb der Sekundärstruktur gewähren der OBS ihre charakteristische Mobilität. Eine wichtige Konsequenz dieses mehrdimensionalen Aufbaus ist es, dass abgesehen von der chemischen Zusammensetzung, die physikochemische Struktur der OBS eine entscheidende Rolle für ihre biogeochemischen Funktionen spielt. Aus diesem physikochemischen Verständnis der OBS Struktur heraus entstand das kürzlich eingeführte Konzept der durch Kationen und Wassermoleküle vermittelten Brücken zwischen OBS Segmenten (CaB und WaMB). Obwohl es in den letzten Jahren einige indirekte Anhaltspunkte für die Ausbildung von CaB und WaMB gab, gibt es bis heute kein klar umrissenes Verständnis di eser Prozesse. Experimentelle Probleme aufgrund sich überlagernder Effekte von wichtigen ebenfalls CaB beeinflussenden Parametern, wie pH und der Konzentration konkurrierender Kationen, erschweren die Untersuchung der CaB-bezogenen Einflüsse. Daher zielte diese Arbeit darauf ab, eine experimentelle Herangehensweise zu entwickeln um CaB innerhalb der OBS zu erzeugen und diese hinsichtlich verschiedener chemischer und physikochemischer Aspekte zu beurteilen. Dazu wurden zuerst die in den Proben schon vorhandenen Kationen entfernt und der pH Wert definiert eingestellt, bevor die Proben erneut mit bestimmten Kationen beladen wurden. So konnten pH- und Kationen-Effekte voneinander getrennt beobachtet werden.
Aus den Ergebnissen, die mit zwei unterschiedlichen Typen organischer Substanz erzielt worden sind, kann folgender Rückschluss gezogen werden: Unter der Voraussetzung, dass die Dichte der funktionellen Gruppen in der OBS hoch genug ist, so dass diese in ausreichender räumlicher Nähe zueinander arrangiert sind, können Kationen die OBS quervernetzen. Eine physikochemische strukturelle Umorientierung findet auch in Alterungsprozessen statt, die die Bildung von mehr und/oder stärkeren CaB und WaMB verursachen. Kationengröße und "ladung bestimmen sowohl die Erzeugung von CaB direkt bei der Kationenbehandlung, als auch die Effekte der Alterungsprozesse. Ein anfänglichrnstärker quervernetztes System ist weniger anfällig für strukturelle Änderungen und unterliegt weniger starken Alterungsprozessen als ein anfänglich schwächer quervernetztes. Verantwortlich für die strukturellen Veränderungen ist die der OBS innewohnende Mobilität innerhalb ihres physikochemischen Verbundes. Information über die strukturellen Voraussetzungen zur Bildung von CaB und deren Konsequenzen für die Matrixstabilität der OBS können helfen, Einblicke in die physikochemische Struktur der OBS zu erhalten. Außerdem zeigten die Qualität der OBS (bestimmt mithilfe thermischer Analytik) und deren Porenstruktur, die sich in einer Reihe von künstlich hergestellten Böden nach einigen Monaten der OBS Entwicklung gebildet hatten, dass die mineralischen Ausgangsmaterialien zwar eine Bedeutung für die chemische Natur der OBS Moleküle hatten, nicht jedoch für die physikalische Struktur der organisch-mineralischen Verbindungen.
In der vorliegenden Arbeit wurde außerdem erstmals die nanothermische Analyse mithilfe der Rasterkraftmikroskopie (AFM-nTA) für Boden eingesetzt, um thermische Eigenschaften und deren räumliche Verteilung im Nano- und Mikrometerbereich zu erfassen. Diese Methode ermöglichte es, physikochemische Prozesse, wie z.B. das Aufbrechen von WaMB in humusarmen Böden zu identifizieren, bei denen herkömmliche Methoden aufgrund zu niedriger Empfindlichkeit scheiterten. Weiterhin konnten durch eine verbesserte Anwendung der Methode und die Kombination mit anderen AFM-Parametern einige in Böden vorkommende Materialien in hoher räumlicher Auflösung unterschieden werden. Durch die Verwendung definierter Testmaterialien wurde versucht, diese Bodenmaterialien zu identifizieren. Das größte Potential dieser Methode liegt allerdings darin, die mikroskopische Heterogenität von Probenoberflächen zu quantifizieren, was z.B. dabei helfen kann, Prozess-relevante Hotspots aufzudecken.
Durch die Einbindung der AFM-nTA Technologie trägt die vorliegende Arbeit zum wissenschaftlichen Verständnis der Änderungen der physikochemischer Struktur der OBS durch Kationenquervernetzung bei. Die hier demonstrierte direkte Untersuchung der CaB kann möglicherweise zu einem großen Wissenssprung hinsichtlich dieser Wechselwirkungen verhelfen. Der beobachtete Alterungsprozess ergänzt gut das supramolekularen Verständnis der OBS. Die Einführung der nanothermischen Analyse in die Bodenkunde ermöglicht es, dem Problem der Heterogenität und der räumlichen Verteilung thermischer Eigenschaften zu begegnen. Ein anderer wichtiger Erfolg der AFM-nTA ist, dass sie genutzt werden kann um physikochemische Prozesse sehr geringer Intensität zu detektieren.
Die (un-)kontrollierte Ausbringung von Abwasser aus der Olivenölproduktion (OMW) kann sich sowohl positiv als auch negativ auf die Bodenqualität auswirken. Dabei stellt unter anderem die Verringerung der Benetzbarkeit des Bodens infolge der Ausbringung ein schwerwiegendes Problem dar. Die Auswirkungen der Ausbringung von Abwässern aus der Olivenölproduktion auf Böden zu charakterisieren und die Mechanismen zu untersuchen, die in Verbindung mit der Veränderung der Qualität der organischen Substanz in Abhängigkeit der klimatischen Bedingungen zu einer verringerten Benetzbarkeit des Bodens führen, war Ziel dieser Arbeit. Zu diesem Zweck wurden in Form einer Screening-Studie die Qualität der organischen Bodensubstanz sowie positive und negative Effekte unkontrollierter Ausbringungen bestimmt. Anschließend wurde ein OMW-behandelter, toniger Lehmboden bei vier unterschiedlichen Bodenfeuchten- und Temperaturen inkubiert und ein Feldexperiment in Israel durchgeführt, um die Auswirkungen der OMW-Ausbringung in Abhängigkeit der klimatischen Bedingungen zu untersuchen. Im Fokus stand dabei die Hypothese, dass unter nass-heißen Bedingungen aufgrund eines zügigen Abbaus der organischen Substanz kaum negative Auswirkungen zu erwarten waren. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden neben allgemeinen Bodenparametern (pH, elektr. Leitfähigkeit, Gesamtkohlenstoff, löslicher organischer Kohlenstoff, spezifische UV-Absorption) phenolische Verbindungen, Kohlenstoffisotopenverhältnis, Wassereindringzeit und Kontaktwinkel sowie thermische Stabilität und Brennwert der labilen und stabilen Kohlenstofffraktion ermittelt.
Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die verringerte Benetzbarkeit OMW-behandelter Böden entsprechend dem vorgeschlagenen Mechanismus von den klimatischen Bedingungen und damit dem Ausbringungszeitpunkt abhängt. Unter trocken-heißen Bedingungen war die Benetzbarkeit des Bodens sowohl im Feld als auch im Labor am stärksten beeinträchtigt. Die thermische Analyse zeigt, dass hierfür wahrscheinlich Substanzen der stabilen Kohlenstofffraktion mit erhöhtem Brennwert verantwortlich sind. Mit höherer Temperatur und insbesondere höherer Bodenfeuchte wurde ein zunehmender Abbau der organischen Substanz des OMW in Verbindung mit einer verbesserten Benetzbarkeit beobachtet. Jedoch kann eine zu intensive Bewässerung oder starker Niederschlag, z.B. im Winter, zu einer Auswaschung von phenolischen Inhaltsstoffen des OMW führen, welche eine Gefährdung des Grundwassers darstellen können.
Gleichzeitig hat eine Ausbringung positive Effekte auf den Boden, z.B. durch Zufuhr organischer und anorganischer Nährstoffe. Aufgrund der Ergebnisse stellt die kontrollierte Ausbringung von OMW eine alternative, kostengünstige und nachhaltige Abfallverwendung in Form von Dünger dar. Jedoch sollte, anstatt des bisherigen Ausbringungszeitraumes Winter, das OMW gelagert und erst nach dem letzten Niederschlag am besten unter regelmäßiger Bewässerung ausgebracht werden, um negative Auswirkungen auf den Boden zu vermeiden und von den positiven Effekten zu profitieren.